Donnerstag, 2. September 2010

Good ol' Grundlage

Gestern habe ich mich erstmals den Radlern des RsC Plochingen angeschlossen und bin gespannt zum Treffpunkt gefahren (mit dem Auto). Nachdem im Vorfeld die Aussage fiel, man fahre heute KB da alle vom Ötzi noch platt seien war ich guter Dinge dass ich nicht gleich hinten wegfallen würde.



Ja ne, is klar. Nach 5 Minuten hatte sich mein Puls bei 170 bpm und die Reisegeschwindigkeit jenseits der 30km/h eingependelt. Selbst im Windschatten ging mein Puls nur selten unter 150bpm – alles in allem war ich also gut gefordert. Nachdem wir von Plochingen ins schöne Remstal rauschten erkundigte ich mich mal vorsichtig bei meinen drei Mitfahrern wie sich deren Trainingsumfänge so gestalten. Die vorgetragenen Ötzi-Zeiten teils unter 8h liesen mich ja schon ahnen was ich da zu hören bekommen könnte. Also spitzte ich (im Windschatten und mit 155er Puls) die Ohren um von meinem Nebenan ein „So um die 20.000km + / - 1.000km im Jahr“ (auch im Windschatten aber mit 105er Puls) so dahin gesagt zu bekommen. Ah, danke fürs Gespräch. Ich hatte zu tun dass sich meine Kinnlade nicht in den Speichen verhädderte. Da waren bei mir dann auch sämtliche Zweifel ausgeräumt dass die Jungs da tatsächlich gerade KB fahren während ich im oberen GA2 bzw. EB  unterwegs war.
Also war auch klar, wenn die Jungs am Wochenende lang Grundlage fahren habe ich eine direkt Ötzi-Rennsimulation.
Die gestrige Situation sorgte dafür, dass ich mich mal wieder mit dem Thema Trainingsbereiche beschäftige.
Ab und an lese ich in Foren z.B. Sätze wie „Wer schnell fahren will muss auch schnell trainieren!“ Aber was passiert denn wenn ich im Training immer oder überwiegend belastend fahre (wie ich es z.B. gestern getan habe)? Werde ich davon stärker, schwächer, oder stagniert die Entwicklung? Wozu braucht man eigentlich die allseits hochgelobte Grundlagenausdauer?

Ich fange einmal bei der Grundlagenausdauer (GA 1) an.

Nutzt man die Herzfrequenz um seine Trainingsbereiche zu bestimmen, definieren sich diese mittlerweile mehr oder weniger übereinstimmend nach den meisten Trainingstheorien ungefähr so:

Kompensationsbereich (KB):  <60 % der max. Herzfrequenz (HF)

Grundlagenbereich 1 (GA 1): 60 – 75 % der max. HF

Grundlagenbereich 2 (GA 2): 75 – 80 % der max. HF

Entwicklungsbereich (EB): 80 – 90 % der max. HF

Spitzenbereich (SB): 90 % – bis die Lichter ausgehen

In den meisten Büchern und Foren liest man, dass eine gut ausgebildete Grundlagenausdauer den Zeitpunkt nach hinten verschiebt, an dem der Körper bei Belastung übersäuert, also mehr Laktat produziert als er abbauen kann. Wenn man mal an diesem Punkt angelangt ist, hat im Prinzip das langsame Sterben begonnen, da bei anhaltender Belastung  dann bald Schluss ist und der Muskel „übersäuert“.
Ich finde viele Empfehlungen, wonach der Grundlagenausdauerbereich (GA 1) rund 80 bis 90 % des gesamten Trainings ausmachen sollten. Das ist wirklich ein verdammt hoher Anteil und erfordert schon einiges an Vertrauen darauf, dass einen diese Art von Training tatsächlich nach vorne bringt. Deshalb ist es zumindest für mich wichtig zu wissen, weshalb ich in diesem Bereich gut trainieren sollte und was es mir bringt, bzw. was passiert wenn der Grundlagenbereich nicht gut ausgebaut ist und ich z.B. immer zu schnell trainiere.

Problem bei der ganzen Geschichte ist m.E. rein praktisch gesehen Folgendes: Diese langen Einheiten im Grundlagenbereich (GA 1) sind alleine meistens echt öde. Fährt man also zusammen mit anderen „Grundlage“, dann ist es meistens so – nach meiner Erfahrung – dass die Trainingszustände so unterschiedlich sind, dass manche sich wirklich quälen müssen und andere sich schier langweilen. Außerdem ist es selbst bei einer homogenen Gruppe nicht einfach die Pferde im Zaum zu halten und nicht an jedem Berg die Gruppe sprengen zu wollen oder unbemerkt das Tempo anzuziehen weil es doch gerade gut rollt. Also entweder ich finde jemanden der in etwa demselben Bereich unterwegs ist wie ich, oder ich fahre meine Grundlageneinheiten alleine.
Wobei natürlich kurze knackige Sprints oder ein kurzes Tempointervall eine GA-1 Ausfahrt nicht sofort zunichte machen, wenn es eben bei "kurz" und "wenig" bleibt.

Dass ich meine Grundlage besser ausbauen sollte, also im Prinzip ein besseres Fundament für mein "Haus" (Leistung, intensive Belastung) legen sollte hat mir eine Leistungsdiagnostik Mitte diesen Jahres bescheinigt. Durch mehr Grundlagentraining kann ich meine Schwelle (an der das Laktat nicht mehr abtransportiert werden kann und die Muskeln langsam den Dienst versagen) weiter anheben. Praktisch wirkt sich das im Rennen dann so aus, dass ich schlicht ein hohes Tempo über längere Zeit besser mitgehen kann und nicht gleich übersäuere oder nach der ersten Tempoverschärfung abplatze wie der Lack vom Geländer.
Schaue ich mir das Tortendiagramm meines diesjährigen Trainings an, so habe ich nur knapp 52% der Zeit auf dem Rad im GA 1-Bereich absolviert, 12 % im GA 2-Bereich, 13 %  Kraftausdauer, 15 % Wettkampf und 8 % im Regenerationsbereich.

Es gibt also für die nächste Saison für mich das Ziel, mehr im Grundlagenbereich zu tun. Das ist psychologisch wahrscheinlich schwerer als hart zu trainieren weil ich den Eindruck habe, viel zu lasch zu trainieren.

Die Ausfahrt gestern hat mir sehr viel Spaß gemacht, die Leute sind sehr nett. Vor allem war nett, dass sie oben am Berg auf mich gewartet haben. ;) Und einige Tipps fürs Training habe ich auch noch bekommen.

Um die Fragen, was passiert, wenn ich nun viel im intensiveren Bereich über dem GA 1 Bereich trainiere kümmere ich mich demnächst - will ja niemanden ermüden. ;)

4 Kommentare:

  1. Hmmmmm Du mußt eins bedenken Du fährst jetzt erst die zweite oder dritte Saison auf dem Rad.
    Alle Radsportrainer sprechen davon dass mindestens 2 Saisons durchtrainiert werden müssen um eine erste größere körperliche Anpassung zu erreichen. Und dann fährst Du automatisch vielmehr im Grundlagenbereich auch Belastungen die Du heute weitaus höherpulsig fährst.
    Sei nicht so ungeduldig, das kommt schon von selber - allerdings mehr Grundlagenausdauertraining bringt auch eine verbeserte Anpassung sorich dein Immunsystems wird weit weniger belastet und da hast Du ja dieses Jahr genug Erfahrung gesammelt. Auserdem trainiert sich Grundlage sehr gut mit Lauftraining und Alternativsportarten im Winter.
    übrigens ist es erwiesen dass die die mehr langsam trainieren am Jahresende schneller sind.
    Die körperliche Leistung wächst von unten.
    Ziel ist es möglichst viele Anteile auch am Berg in der Grundlage zu fahren, sonst stehst Du ein Langstrecke kaum durch - oder liegtst danach im Bett......
    Die Sache mit der Muskelübersäuerung hängt aber nicht so sehr mit dem Ausdauertraining zusammen sondern mehr mit dem Muskelwachstum bzw. verbesserter Kraft.
    Nur ein mehr an Muskulatur verschiebt die Übersauerung auf einer grafischen Aufzeichnung signifikant nach rechts.
    So und jetzt noch ein kleiner Buchtipp:
    "Krafttraining im Radsport" Verlag Urban und Fischer

    Gruß Michael

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  2. Servus Michael! Danke für Deinen tollen Kommentar!
    Klar weiß ich dass ich mich im Aufbau ganz am Anfang befinde, gerade deshalb will ich ja so viel wie möglich richtig machen. ;) Und ungeduldig bin ich da eigentlich nicht, ich weiß dass das dauert und ich bin gespannt was mit kontinuierlichem Training noch alles möglich ist!

    Vom Laufen als Mittel zum Verbessern der Grundlage nehme ich allerdings Abstand. M.E. kann man auf dem Rad die Grundlage wesentlich besser trainieren da man grundsätzlich länger fährt als man läuft und die Gelenke nicht so sehr beansprucht werden. Ich mache es da eher andersrum und hole mir z.B. durch Bergläufe noch ein wenig Kraft.

    Danke für den Buchtipp, werde mal wieder in die Bücherei gehen.

    Gruß S.

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  3. Tja also es gibt 2 Grund die fürs laufen sprechen

    Erstens da Du Dein eigenes Gewicht trägst und mehr Muskulatur aktiv bewegst geht der Aufbau der Grundlagenausdauer schneller sonst würde es auch kein Profi machen und im Radsport würde es nicht empfohlen werden dazu braucht es keine langen Radfahrstrecken. Auserdem ist die Sportliche Belastung dann nicht so einseitig. Allerding ist Skilanglauf noch effektiver.

    Und der zweite Grund..... im Winter ist mit längeren Strecken Radfahren am Abend nicht wirklich soviel drin..... und wenn Du den Winter nicht nutzt ist das Frühjahr schon halb "gelaufen"

    Gruß Michael

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  4. Laufen werde ich auf jedenfall, soviel steht fest! Freu mich auch schon darauf mal wieder die Laufschuhe zu schnüren!
    Das mit dem Langlaufen habe ich letztes Jahr mal ausprobiert, ich glaube ich sollte mal die Skier richtig wachsen lassen, die wollten nicht so wie ich. ;)

    Alternative Bewegung ist klar, das gibts im Herbst/Winter auf jedenfall! Bei Radlern tuts halt erst mal weh bis sich die verkümmerten Laufmuskeln wieder etwas in Form gebracht haben. Das meinte ich auch mit Belastung für die Gelenke etc.
    So im Prinzip sind wir uns einig - Alternativen im Winter sind wünschenswert bis notwendig. Auch, dass im Winter die Form für die kommende Saison aufgebaut wird ist klar.
    Und die soll ja ordentlich aufgebaut werden.

    Gruß S.

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